Dieser Blogartikel bezieht sich auf meine Podcastepisode #30. Kannst Du hier gleich anhören:
Wie Worte Realität erschaffen - die Wirkung von Worten
Du kommst in einen Besprechungsraum, es gibt viel zu tun. Du und die anderen werden freundlich begrüßt mit folgendem Satz: „Ich freue mich darauf, heute mit Euch zusammen entspannt und kreativ all unsere Ideen zusammen zu bringen und das Projekt in Gang zu setzen.“
Es entsteht Neugier, vielleicht sogar Vorfreude, das Gefühl von Ärmel hoch und ran.
Was wäre, wenn Du stattdessen zu hören bekämst: „Wir müssen heute endlich Ergebnisse liefern, wir sind schon viel zu spät dran!"
Genau.
Wie wir Möglichkeitsräume schaffen
Ich bin schon lange fasziniert davon, wie wir mit Sprache nicht zu allererst beschreiben, was ist, sondern gestalten, was sein könnte.
Unsere Haltung, unsere innersten Überzeugungen fließen ganz automatisch in unsere Wortwahl ein. Wenn wir uns das bewusst machen und Worte darüber hinaus gezielt wählen, können wir wirksam Räume öffnen und bewusst acht geben auf die Wirkung von Worten.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie vor Beginn einer Mitgliederversammelung des Deutschen Coachingverbandes mich mein Vorstandskollege Karsten sinngemäß fragte: „Welche Welt willst Du heute eröffnen? Welche drei Worte gibst Du uns zum Start mit auf den Weg?“ Ein simples Ritual mit großer Wirkung. Noch bevor ich überhaupt sprach, stellte ich mir vor, mit welchen Worten ich tatsächlich das gewünschte Miteinander initiieren könnte. So etwas wie „Tragfähige Ergebnisse“, „gutes Miteinander“ – solche Begriffe setzen einen Rahmen, sie „primen“ die Atmosphäre.
Vielleicht kennst Du ähnliche Situationen aus Deinem beruflichen oder auch privaten Alltag. Worte wie „müssen“, „sollen“ oder „dürfen“ transportieren unsere Glaubenssätze und Erwartungen, unsere Sicht auf uns selbst, die Welt und die Person, die uns gegenübersitzt.
Wenn ich sage: „Du musst das so machen“, verenge ich ihren Spielraum. Formuliere ich stattdessen: „Magst Du mal ausprobieren,... ?“ – öffne ich Türen, Möglichkeitsräume. Es entsteht Raum für Entwicklung und eigene Entscheidungen.
Solution Talk: Sprache als Schlüssel zur Lösung
Als Coach arbeite ich gerne nach der Idee aus dem lösungsfokussierten Kurzzeit-Coaching nach Steve de Shazer: „Solution talk creates solution, problem talk creates problems.“ Klingt simpel, ist aber oft ein echter Gamechanger.
Stell Dir vor, jemand kommt mit dem Satz „Ich werde das niemals schaffen.“
Begeben wir uns dann erstmal auf eine Reise durch die Problemlandschaft? Oder verschieben wir direkt den Rahmen?
Wenn Du zum Beispiel fragst: „Was wäre, wenn wir heute mal so tun, als ob es schon einmal geklappt hätte – was wäre dann anders?“ Oder: „Hat es schon mal eine kleine Ausnahme gegeben von dem ‘niemals’?“ Mehr als einmal habe ich erlebt, wie eine neue Lösungsenergie entsteht, wenn Sprache aus der Problemtrance hinaus führt - und damit eine neue Sichtweise ermöglicht wird.
Ich habe mir angewöhnt, auch mit Humor und Leichtigkeit an solche scheinbar festgefahrenen Aussagen heranzugehen. Aus „niemals“ könnte ein „bisher schien es so auszusehen, als könne das möglicherweise schwierig sein“ werden. Schon klingt das grad noch als endgültig Empfundene weniger dramatisch, weniger absolut. Sondern eher wie eine Herausforderung, der man durchaus erfolgreich begegnen kann.
An die Sprache des Gegenübers andocken
Hier kommt ein Punkt, der oft unterschätzt wird: Kommunikation funktioniert nur, wenn wir wirklich anschlussfähig sind – auch und grade sprachlich. Verschiedene Generationen, Branchen oder „Bubbles“ sprechen unterschiedliche Sprachen, selbst wenn wir alle halbwegs Deutsch reden.
Das Wort „Transformation“ zum Beispiel kann alles bedeuten und für jede:n was anderes. Ich habe vor einiger Zeit im Rahmen meiner kommunalpolitischen Tätigkeit in einer Kreistagssitzung einen Antrag gestellt, der dieses Wort beinhaltete. Für mich war völlig klar, was ich damit meinte. Und wunderte mich später, warum die Verwaltung davon nichts umsetzte. Erst im Nachhinein wurde mir klar, wie verschieden man dieses Wort verstehen kann.
Es lohnt sich, Begriffe genau zu erklären. Aber auch Rückfragen zu stellen und sich ehrlich zu interessieren: „Was verstehst Du unter...?“ Damit schaffst Du Verständnis und Vertrauen.
Wie erkenne ich die Wirkung meiner Worte?
Woher weiß ich, wie meine Worte beim Gegenüber ankommen?
Offen gesagt: Das kann man nie wirklich vorher wissen.
Hier mal folgende Schritte: (vor allem die Schritte 1 - 4 laufen in der Regel blitzartig ab):
1. Erstmal geht es darum, sich bewusst zu werden, dass Worte wirken.
2. Zweitens zu schauen, was ich mit meinen Worten in die Welt bringen will. Welche Welt will ich schaffen mit meinen Worten? Welche Möglichkeiten will ich aufmachen?
3. Welche Worte glaube ich denn, dass da angemessen sind? Wie würden sie denn auf mich wirken? Das heißt nicht, dass sie auch auf eine andere Person so wirken müssen.
4. Dann treffe ich eine Entscheidung über meine Wortwahl.
5. Anschließend richte ich meine Aufmerksamkeit aufs Gegenüber oder auf die Gruppe und schauen, wie es denn wohl angekommen ist. War ich hilfreich? Habe ich einen Raum geöffnet – oder versehentlich verschlossen?
6. Dann kann ich weitere Hypothesen bilden und weiter beobachten.
7. Diese Erfahrung, die ich da gemacht habe, kann ich nutzen für das nächste Mal. Ich kann vielleicht daraus lernen, vielleicht variieren, vielleicht wiederholen. Ich lerne in Aktion und Reflektion.
Im Wechselspiel mit anderen Menschen, im Tun und Nachjustieren, entwickeln wir unser Kommunikationsgespür immer weiter.
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